Der Basar
Mittelpunkt des Lebens in der islamischen Welt -
Geschichte und Gegenwart eines menschengerechten Stadtmodells
Brennpunkt des Lebens, aus dem die Gemeinschaft der Moslems im Alltag bis heute Kraft schöpft. Jenseits von Klischees und politischer Aktualität enthüllt sich in diesem Buch ein junges und gleichzeitig uraltes, immer aber faszinierendes „Reich der Sinne“. Die Kulturgeschichte des Handels, die Sozialgeschichte eines menschenfreundlichen Stadtmodells sowie die Beschreibung von über einem Dutzend der schönsten Basare und der traditionsreichsten Handwerke machen das Buch zu einem einzigartigen Panoptikum einer immer noch großen Kultur.
Wir bewegen uns aus der höchsten in die niedrigste Welt, vom Kalifen zum Barbier, vom armseligen Fischer zum fürstlichen Kaufherrn, und es ist eine Menschlichkeit, die mit breiter, leichter Woge uns hebt und trägt; wir sind unter Geistern, unter Zauberern, unter Dämonen und fühlen uns wiederum zu Hause.“ Dieses Gefühl der Geborgenheit, wie es uns Hugo von Hofmannsthal in seinem Vorwort zu den Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht beschrieb, hat wohl jeder, der schon einmal durch einen Basar bummelte, verspürt. In einer Zeit, in der das Interesse des Abendlandes an der Welt des Islam stark steigt, die öffentliche Meinung jedoch überwiegend von Klischees und politischen Aktualitäten geprägt wird, scheint es besonders wichtig, die anderen Facetten jener Gesellschaft zu zeigen, der heute über ein Fünftel der Menschheit angehört.
Das vorliegende Buch lädt deshalb zu einer Reise in die Basare der alten Metropole des Orients - jene Brennpunkte des Glaubens und Handels, aus denen die Gemeinschaft der Moslems im Alltag bis heute ihre Kraft bezieht. Es enthüllt ein faszinierendes Reich der Sinne, in dem Zeit und Raum und Dasein und Tod noch ihre alte Bedeutung haben und das Mittelalter vielerorts lebendig blieb. Es verschweigt aber auch nicht die Gefahren, denen diese Stadtkultur durch den Einbruch der Gegenwart immer stärker ausgesetzt ist. Ausgehend von einer Tour d`horizon durch die Handelsgeschichte werden die Ursprünge des Basars untersucht - seine Wurzeln in den Marktplätzen und -hallen der Antike sowie den frühislamischen Wehrburgen und Karawansereien. Dabei folgt der Leser dem Weg der Warenströme entlang so legendärer Karawanenrouten wie der Seiden-, Weihrauch- und Bernsteinstraße, und macht auch nähere Bekanntschaft mit dem unverzichtbaren Gefährten der Kaufleute, dem Kamel.
Das Buch zeigt aber auch, daß der Basar weit mehr ist als gemeinhin vermutet, nämlich nicht nur ein Labyrinth malerischer Ladengassen, sondern ein überaus komplexes, in Jahrhunderten gewachsenes Sozial- und Raumgefüge - eine „Stadt in der Stadt“, die neben den Einrichtungen für den Groß- und Einzelhandel, für Finanzwesen, Handwerk und Gewerbe, auch Brunnen und Bäder, Kaffee- und Krankenhäuser, Herbergen, Koranschulen und Moscheen umfaßt. Es legt dar, wie sich Religion und Wirtschaft, aber auch die Menschen untereinander vertragen, und welche Rolle Gilden und Bruderschaften, ein Kadi, Scheich oder Imam spielten und zum Teil noch spielen. Architektonische Besonderheiten werden ebenso erläutert wie die Rituale des Betens, Feilschens und Feierns.
Ein zentrales Kapitel ist dem traditionellen Handel und Handwerk gewidmet. Der Leser besucht unter andrem die Märkte der Kamel-, Gold- und Zuckerhändler, die Werkstätten von Lautenbauern, Tuchdruckern und Mosaikschnitzern, Glasbläsern und Kupferschmieden. Er erlebt, wie die berühmten Mützen von Tunis entstehen und das Leder von Fes, die aleppinischen Seifen und die persischen Teppiche, schaut Graveuren und Parfumeuren, Miniaturmalern und Kalligraphen bei der Arbeit über die Schulter und begegnet auch Vertretern so exotischer, fast verschwundener Berufe wie Schwert-, Dolch- und Feuermachern, Wasserverkäufern, Magiern, Märchenerzählern, Fussbüglern und Handseidenwebern
Abschließend werden über ein Dutzend der schönsten und wichtigsten Basare - unter ihnen Marrakesch und Fes, Damaskus, Aleppo und Kairo, Istanbul, Isfahan, Sanaa und Samarkand - ausführlich in Bild und Text portraitiert. Detailreiche und künstlerisch aufwendig gestaltete Stadtpläne machen das Buch auch zu einem praktischen Helfer bei der Vorbereitung jeder Reise in den Orient.
Meine erste einschlägige Begegnung hatte ich Anfang der achtziger Jahre in Kairo. Es war draußen in der Totenstadt. Der Chamsin, der berüchtigte Wüstenwind, hatte die Welt in einen grauen Staubmantel gehüllt. Der Rauch von den nahen, glosenden Müllhalden biß in den Augen. Die Luft glühte. Die Gassen zwischen den dicht bewohnten Grabhäuschen und Bretterverschlägen waren menschenleer, mit Abfall übersät, von grenzenloser Tristesse. Da tauchte eine junge Frau in einer regenbogenbunten, zerschlissenen Dschellabiya auf. Sie schleppte sich mit zwei vollen Wasserkanistern ab. Als sich unsere Wege kreuzten, überraschte sich mich mit einem lachenden Gruß. Was für ein Lachen das war! All die zermürbende Armut, signalisierten ihre Augen, die du hier siehst, kann meinem Innersten nichts anhaben. Für mich ist der Alltag keine bedrückende Last, weil ich meine Kraft aus anderen Quellen schöpfe. Ein solches Lachen in einem europäischen Armenviertel? Undenkbar!
Ungefähr dreißig Reisen habe ich seither in islamische Länder unternommen und ihre großartigsten Moscheen, Paläste und Landschaften gesehen. Doch am meisten - und ich schreibe das im Wissen um die ganze Widersprüchlichkeit des allzulange gepflegten, romantisierenden Bildes vom „spirituellen“ Orient - hat mich überall diese Heiterkeit und Gegenwärtigkeit der Menschen bezaubert. Und ihr unerschütterliches Gottvertrauen. Antoine de Saint-Exupéry hat einmal gemeint: „Es gibt Leute vom Typ Autobahn und Leute vom Typ Fußpfad. Die Leute vom Typ Autobahn langweilen mich. Ich langweile mich auf dem Asphalt zwischen den Kilometersteinen. Diese Leute visieren etwas ganz Bestimmtes an. Einen Gewinn, einen Erfolg. Entlang der Pfade stehen statt Kilometersteinen Haselsträucher. Und man flaniert dahin, um Haselnüsse zu knacken. Man ist da, um da zu sein.“ In den Gassen der Basare stehen keine Kilometersteine.
Massenmedien neigen oft zu Vereinfachung und Schwarzweißmalerei. Auf ihrer Suche nach Feindbildern sind sie seit einigen Jahren wieder einmal im arabischen Raum fündig. Wie schon so oft seit der Zeit der Kreuzzüge gilt das Morgen- dem Abendland (und auf andere Weise auch das Abend- dem Morgenland) als akute Bedrohung. Weil sich aber hier wie dort in dem Meinungsgetöse nur die lauten Propagandisten, nicht aber die leisen Denker Gehör verschaffen, mutiert in der kollektiven Vorstellung des Westens jeder Moslem zum unberechenbaren Fanatiker.
Allerdings ist dankbar anzumerken, daß neuerdings eine junge, um Differenzierung bemühte Generation von Orientalisten und Islamwissenschaftlern ins Rampenlicht der Öffentlichkeit drängt und neue Wertungen wagt, wo allzulange ein paar Medienroutiniers lamentierend Klischees wiederkäuten. Umso verblüffender ist freilich, daß sich nur ganz wenig Autoren (und wenn, dann fast ausnahmslos auf streng akademischem Feld) mit dem Phänomen des Basars aueinandergesetzt haben. Es war bisher kaum ein Buch erhältlich, das diese traditionsreiche und ganz eigenständige Errungenschaft der islamischen Kultur in all ihren Facetten und auch für interessierte Laien verständlich aufbereitet.
Womit wir bei den Absichten wären, die dem vorliegenden Band zugrunde liegen: Zwei standen für uns, Autor und Photograph, im Vordergrund. Zum einen jene, aufzuklären und zu vermitteln - denn ein Basar ist viel mehr als jenes malerische Labyrinth aus Werkstätten und Läden, in dem man sich als Tourist mit Souvenirs eindeckt und danach verirrt. Er ist eine „Stadt in der Stadt“ mit einer ganz spezifischen Wirtschafts- und Lebensform und einem geistigen Fundament, von dem die westliche Gesellschaft gerade heute, wo sie gewzungen ist, Begriffe wie Arbeit und Zeit und Solidarität neu zu definieren, eine Menge lernen könnte.
Zum anderen ging es uns um eine Bestandsaufnahme. Denn so intakt viele Basare beim ersten Eindruck auch wirken mögen: Immer mehr ihrer traditionellen Eigenheiten - alte Gebäude und Berufe, Sitten und Werte sowie das ästhetische Empfinden, drohen unter dem Einfluß der westlichen, technisch-industriellen Zivilisation endgültig zu verschwinden.
Wie hat ein Scheich aus Tanger bemerkt, als die Europäer in seiner neu besetzten Heimatstadt die elektrische Beleuchtung einführten: „Wenn diese Leute fünfmal am Tag beten würden, ließen sie solche Kindereien bleiben.
IM REICH DER SINNE
Impressionen aus dem Herzen der Medina
DIE ENDLOSE KARAWANE – EINE KURZE GESCHICHTE DES HANDELS
Die großen Routen: Auf den Spuren von Weihrauch, Bernstein, Seide und Gold
Transportmittel Kamel: „Allahs größtes Geschenk“
HEILIGTUM UND HANDELSPLATZ – WIE DER BASAR FUNKTIONIERT
Das Lebensgefühl: Über die Vernunft des Herzens
Die Gesellschaft: Von Imamen, Kadis und Marktaufsehern
Das Raumgefüge: Von Moscheen, Läden und Karawansereien
Das Lebenselixier: Über Bedeutung und Nutzung des Wassers
HANDWERK UND HÄNDLER – IHRE ARBEIT, IHRE WAREN
Der Weg der Teppiche: Vom Knüpfstuhl bis in den Salon
Kleidung: Tschador, Schleier und Kaftane
Chechias: Die Mützenmacher von Tunis
Schmuck: Von Schätzen, die schützen
Parfum: Die Düfte aus 1001 Nacht
Kaffee, Tabak & Süßigkeiten: Die kleinen Freuden des Alltags
Medizin & Magie: Heilung durch Glaube
Kalligraphie & Malerei: Von Buchstaben und Bildern
Holz: Unter Drechslern und Schnitzern
Glas: Die letzten Meisterbläser
Metall: Von Schmieden und Schwertmachern
Keramik: Bei den Töpfern und Kachelmachern
Leder: Die Gerber und Färber von Fes
BRENNPUNKTE DES LEBENS – DIE SCHÖNSTEN BASARE IM PORTRAIT
Übersichtskarte: Die Welt der Basare
Kairo - Damaskus - Aleppo - Istanbul - Sanaa - Dubai - Kairouan - Tunis - Marrakesch - Fes - Schiras - Isfahan - Samarkand, Buchara & Chiwa
NACHWORT
Danksagung - Glossar - Zeittafel - Bibliographie - Register
Beim Barte des Propheten, wir spazieren mit großen Augen durch diesen üppigen Band, prall gefüllt mit Wissenswertem, mit Basarplänen und vor allem mit Photos, die uns die Endsommermüdigkeit aus den Augen reiben lassen. ... Daran gibt es nichts zu feilschen.“
Die Zeit, Hamburg
Ein netzhautbeglückender Beitrag zum sanften Tourismus: Denn seine Scheu steckt an, und seine Schönheit rät zum Verzicht auf einen Vergleich.“
Süddeutsche Zeitung, München
Es wird in faszinierenden Bildern und einfühlsamen Texten auch tief in Seele und Geist der Menschen eingeführt, in ihr Denken und Empfinden. Damit verrät das Buch zuweilen einiges mehr als manche gelehrte Abhandlung über diese uns oft so ferne Welt.“
Neue Zürcher Zeitung, Zürich
Zwei von diesem Thema erkennbar Faszinierte haben sich hier zusammengefunden, um ein Buch zu produzieren: als Textautor der Publizist Walter M. Weiss und der Fotograf Kurt-Michael Westermann... Aber deren Faszination hat sich offensichtlich auch auf die weiteren an der Produktion Beteiligten, auf die Buchgestalter und Verleger übertragen.“
Tages-Anzeiger, Zürich
Der Prachtband ist genau jenes Geschenk, das man für den besten Freund kauft und dann nicht mehr aus den Augen läßt.“
Wirtschaftswoche, Wien